Positive Desintegration

Menschen reagieren unterschiedlich auf Traumata und schwierige Situationen.

Traumabewältigung

Menschen reagieren unterschiedlich auf Traumata und schwierige Situationen. Das sehen wir im Moment sehr gut im Rahmen von Corona.

Einige stecken das weg, als ob nichts wäre. Dies kann an ihrer Persönlichkeit liegen – Introvertierte sehen die heruntergefahrene Geschäftigkeit und den reduzierten sozialen Druck als eine Annäherung an den von ihnen erhofften Lebensstil.

Es kann auch an ihrer Resilienz liegen, der Fähigkeit, nach einem Schlag wieder aufzustehen und weiterzugehen, oft als ob gar nichts gewesen wäre.

Andere zerbrechen an einem Trauma und erholen sich kaum mehr oder gar nicht. Sie desintegrieren und brauchen professionelle Hilfe.

Die dritte Gruppe von Menschen aber erlebt etwas, was Kasimirs Dabrowski positive Desintegration nannte. Zu Beginn sieht dies wie eine normale Desintegration aus, aber wie ein Phönix aus der Asche erhebt sich der Mensch am anderen Ende, total verändert.

Positive Desintegration

Die fünf Schritte des Wachstums

Dabrowski beschreibt diesen Prozess in fünf Schritten, die eine starke Parallelität zum Veränderungsprozess von Spiral Dynamics aufweisen, mit einem Unterschied: diesen Prozess der positiven Desintegration durchlebt ein Mensch nur einmal vollständig.

Wie sehen diese fünf Schritte denn aus? Sehen wir uns meinen imaginären Coachee Frank an:

  1. Primäre Integration: Frank fühlt sich wohl und integriert in der Gesellschaft. Was aber zuerst wie das Alpha von Spiral Dynamics tönt, ist anders: hier geht es darum, dass Frank durch seine Instinkte und soziale Prägung, also unbewusste und äusserliche Beweggründe die Integration sucht. Sein Motto: Ich passe dazu.
  2. Unilevel-Desintegration: Erste Fragen tauchen bei Frank auf, er durchlebt erste Krisen. Frank sieht plötzlich Alternativen zum bisher Geglaubten. Diese Alternativen sind bei genauerem Hinschauen kaum anders als das ursprünglich Angenommene. Qualitativ, auf moralischer Ebene, sind sie äquivalent zum Original. Aber rein schon ihre Existenz führt zum neuen Leitsatz: Ich bin verwirrt.
  3. Spontane Multilevel-Desintegration: Jetzt erscheinen Alternativen, von denen eine eindeutig einen grösseren Wert aufweist, qualitativ erstrebenswerter ist. Frank hat etwas schon 1000 mal gesehen, und doch ist es heute zum ersten mal anders. Spontan ist Frank die Möglichkeit klar geworden, dass es eine höhere Ebene der Existenz, einen besseren Lebensstil geben könnte. Er sieht hinter die Kulisse, erkennt die Matrix. Aber er weiss noch nicht, wie er damit umzugehen hat, weil er noch keinen aktiven Part spielt in dieser Geschichte. Ich habe einen Konflikt.
  4. Gezielte Multilevel-Desintegration: Frank durchbricht die sprichwörtliche Mauer und beginnt, selbständig und gezielt zu hinterfragen, abzuwägen, die eigenen Werte zu gestalten. Er übernimmt die Kontrolle über die eigene Persönlichkeitsentwicklung. Dabei werden instinktive Entscheide und soziale Werte und Moral hinterfragt. Es gibt mehr.
  5. Sekundäre Integration: Frank hat sich verändert. Seine Werte, seine Weltanschauung, sein ideales Selbstbild und sein aktuelles Ich sind wieder im Einklang, aber nicht wie bei der primären Integration bestimmt durch Instinkte und soziale Konventionen, sondern durch eine eigenständig erarbeitete Wertehierarchie. Ich bin.

Die meisten Menschen leben ihr Leben lang meist in der primären Integration und machen von Zeit zu Zeit einen Ausflug in die zweite Ebene.

Verbindung zu Spiral Dynamics

Ein Wechsel eines Wertemems nach Spiral Dynamics kann eine Reise nach Ebene 2 beinhalten, um dann in eine neue primäre Integration hineinzufallen, die bereits vorhanden ist.

Ein solcher Wechsel kann natürlich auch die vollständige Reise auf die 5. Ebene, die sekundäre Integration umfassen. Dies ist sicher der Fall, wenn in dem neuen Wertemem keine Gemeinschaft wartet, um mich zu empfangen.

Spiral Dynamics nennt als treibende Kraft bei einem Wechsel die äusseren Umstände. Neue Problemstellungen verlangen nach neuen Lösungen, die nur durch eine neue Sichtweise erlangt werden können.

Drei Faktoren als treibende Kraft

Dabrowski sieht drei Faktoren am Werk bei der positiven Desintegration.

  1. Faktor: Instinkte, Triebe, Persönlichkeit, Ego
  2. Faktor: Soziales Umfeld, Gruppendruck, familiäre Prägung
  3. Faktor: Individueller Antrieb zur Persönlichkeitsentwicklung, eigenständiges Denken, individuelles Gewissen, Motivation, sich selbst zu werden

Wenn wir diese Faktoren auf unsere Ebenen anwenden, sehen wir, dass die ersten drei Ebenen von den beiden ersten Faktoren bestimmt sind. Ebene vier und fünf sind erst möglich, wenn ein starker dritter Faktor hinzukommt.

Dieser dritte Faktor hilft, die Kohäsion der ersten beiden Faktoren zu überwinden, bringt aber oft auch die Entfremdung zu den Menschen im eigenen Umfeld. Da die Menschen um mich herum nicht erkennen, wie fremdbestimmt sie durch den zweiten Faktor sind, und wie egoistisch sie gewisse Dinge betrachten (erster Faktor), empfinden sie das eigenständige Denken und Handeln (dritter Faktor) als falsch, überheblich, irr. Dies führt bei der Person, die sich verändert, zu einer Desintegration in der Ebene 3, die oft einer psychiatrischen Erkrankung ähnlich sieht, aber dank dem dritten Faktor zum Durchbruch in die vierte Ebene führt.

Der dritte Faktor wird durch gewisse Persönlichkeitsmerkmale des ersten Faktors unterstützt. Es kann dies eine hohe Offenheit für Neues sein gemäss dem Big-5-Persönlichkeitstest. Dabrowski hat fünf sogenannte Überempfindlichkeiten oder besser Superstimulierbarkeit (Overexcitabilities) beschrieben, die auch wesentlich dazu beitragen, dass ein Durchbruch nach Ebene 4 geschafft werden kann.

Superstimulierbarkeit als Booster beim Wachstum

Diese Überempfindlichkeiten (OE) zeichnen sich dadurch aus, dass ein kleiner Reiz eine überdurchschnittliche Reaktion, ein Feuerwerk auslöst. Es sind dies:

  • Intellektuelle OE: der extreme Drang nach Verstehen, Wissen, Wahrheit
  • Imaginative OE: starke Assoziationen und Metaphern, Fantasie, (luzide) Träume, Visionen
  • Emotionale OE: intensive Gefühle, komplexe Emotionen, Empathie
  • Sensorische OE: intensives Erleben der Reize der fünf Sinne bis zur Reizüberflutung
  • Psychomotorische OE: enorme Energie, Bewegungsdrang

Vor allem die ersten Drei (intellektuell, imaginativ und emotional) unterstützen den dritten Faktor stark.

Integration der Werkzeuge

Zusätzlich spielen die Stärken einer Person (CliftonStrengths) eine wichtige Rolle beim zielgerichteten Aufbau einer eigenen Wertehierarchie.

Das Enneagramm hilft als Werkzeug dabei, das ideale Selbst zu definieren.

Spiral Dynamics als evolutionäres Modell der menschlichen Werte zeigt gewisse Richtungen der Entwicklung auf.

Alle solchen Werkzeuge können allerdings auch dazu verwendet werden, eine tiefere primäre Integration zu erlangen, vor allem wenn sie durch das Umfeld motiviert angegangen werden (2. Faktor).

Psychiatrische und therapeutische Hilfe wird oft in den Ebenen 2 und 3 in Anspruch genommen und hat meist das Ziel einer Reintegration auf der ersten Ebene. Dies verhindert oft eine sekundäre Integration und ein Wachstum des Patienten.

Hier bin ich ganz offen: ich bin kein Therapeut und kein Spezialist in der positiven Desintegration, ausser dass ich sie teilweise selbst durchlaufen habe und, so hoffe ich, im Moment an meiner sekundären Integration arbeite. Ich werde mich in näherer Zukunft auf diesem Gebiet weiter ausbilden.

Wenn Sie interessiert sind, einen Mitreisenden auf Ihrer Reise durch die Ebenen zu finden, der ein paar wertvolle Werkzeuge und eine sichere Umgebung bieten kann, dann melden Sie sich doch zu einem Coaching bei mir an.

Beitrag veröffentlicht

in

von