Mimetisches Lernen

René Girard entwickelte eine Theorie, die sich mimetisches Begehren nennt. Sie basiert auf dem allgemeinen Verständnis von mimetischem Lernen.

René Girard entwickelte eine Theorie, die sich mimetisches Begehren nennt. Sie basiert auf dem allgemeinen Verständnis von mimetischem Lernen. Von diesem mimetischen Lernen möchte ich hier sprechen.

Menschen sind Meister der Imitation. So sehr wir oft den Wunsch haben, eigenständig und unabhängig zu sein, lernen wir doch das Meiste, indem wir andere imitieren. Girard zeigt uns, dass es auch unsere Begehren sind, die wir anderen abschauen. Was also für uns wertvoll ist, lernen wir auch von unserer Umgebung, und damit unsere Werte.

Jeder wird dem zustimmen, wenn es um die Basisfunktionen wie laufen und sprechen geht, aber es geht natürlich viel weiter. Unsere Überzeugungen sind geprägt von unserer Umwelt, genauso wie unser Verhalten.

Wenn doch jemand sogar daran zweifelt, dass wir für das Erlernen von Laufen und Sprache Vorbilder brauchen: Es gibt mehrere dokumentierte Fälle von Kindern, die in der Wildnis überlebten, aber keine Sprache, andere Fortbewegungsarten und kein Abstraktionsvermögen lernten, um z. B. Werkzeuge zu entwickeln.

Viele unserer Fähigkeiten sind also mimetischer Natur, Imitation von Vorbildern.

Dazu kommt die Anwendung der erlernten Strategien auf neue Probleme, sodass ein Individuum einen neuen Trick, eine neue Fähigkeit lernt, indem es Bekanntes abwandelt und weiterentwickelt. Mit höherer Abstraktionsfähigkeit geschieht dies auf immer abstrakteren Ebenen und nimmt an Geschwindigkeit und Mächtigkeit zu.

Ist eine Fähigkeit erst mal entwickelt, kann sie sich mimetisch verbreiten. Hier sehen wir den Link zu dem fast gleich geschriebenen Ausdruck Meme: im Internet sprechen wir von einem Meme, wenn etwas sich virulent verbreitet. In Spiral Dynamics nennen wir Weltanschauungen Meme, weil innerhalb eines Mems die gleichen Werte mimetisch weitergegeben und gelernt werden.

Da wir vieles, was wir in früheren Memen mimetisch gelernt haben, integriert haben, bevor wir uns weiterentwickeln, lernen unsere Kinder die früheren mimetisches Werte genauso von uns, aber auch von Altersgenossen.

Kaum jemand wird sich aber weiter entwickeln als bis zum Mem seiner Umgebung, denn da stoppt das mimetische Lernen, oder es wird doch sehr langsam, weil es kaum noch Vorbilder gibt, die wir nachahmen können.

Erst unter dem Druck der Umgebung werden neue Werte, Ansichten, Fähigkeiten erlernt, die sich dann zuerst langsam, bald aber exponentiell verbreiten. Besser wäre es allerdings, von einer S-Kurve zu sprechen, denn ab einem gewissen Punkt verlangsamt sich die Verbreitung auch wieder wegen des Widerstands der alten Meme oder der Sättigung des Marktes.

Hegel sah eine weitere Möglichkeit des Erlernens neuer Fähigkeiten und Ansichten: den dialektischen Sprung. Wenn zwei Meme aufeinandertreffen, sich Hypothese und Antithese begegnen und eine Spannung auslösen, besteht die Möglichkeit einer Synthese. Eine Synthese kann eine Lösung auf höherer Komplexitäts- und Abstraktionsstufe, aber auch eine simple Verbindung beider Lösungen sein. Wir kommen also zu neuen Ansätzen oder erkennen, dass ein sowohl, als auch besser ist als ein entweder–oder.

Wie also wächst ein Mensch durch die Wertememe von Spiral Dynamics? Solange seine Umgebung in einem späteren Wertemem lebt als er selbst, durch mimetisches Lernen. Überdies braucht es den Druck der Umwelt in Form neuer Herausforderungen oder dialektische Sprünge aufgrund des Aufeinandertreffens von verschiedenen Wertememen.

Wie also kann ich wachsen? Indem ich meine Umgebung bewusst wähle. Ich kann mich gezielt mit Menschen umgeben, die ein komplexeres Weltbild besitzen als ich, und ihre Denkart imitieren. Und ich umgebe mich mit Menschen, die ein anderes Weltbild haben als ich, und versuche, aus der entstehenden Spannung gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Drittens stelle ich mich den neuen Anforderungen, die meine Umwelt an mich stellt, und entwickle so neue Ansätze durch Abstraktion und Adaption.

Wir sind an einem interessanten Ort in der Geschichte. Drei Wertememe mit ähnlichem Anteil an der Bevölkerung beherrschen momentan den Westen: Blau, Orange und Grün. Eine absolut geniale Voraussetzung für dialektisches Lernen, insbesondere für die Erkenntnis, dass es ein sowohl, als auch braucht. Diese Erkenntnis ist das Kernstück von Gelb. Ein Zufall? Ich glaube kaum.

Bist Du interessiert, zu lernen? Möchtest Du wissen, wo Du in Bezug auf Spiral Dynamic stehst? Dabei helfe ich Dir gern.

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